VALDUN

Voices of Rumantsch

Die Welt ist nicht so simpel, dass einer sie neu erfinden könnte, wenn sie einmal verschwände. Voller Willkür ist sie. Ein Tummelplatz des schönen und des schrecklichen Zufalls, das ist unser Planet. Zum Glück des Lebendigen und zu seiner Gefährdung. Kein Mensch begreift, warum auf kleinem Raum soviel Unterschied sein muss. Warum zum Beispiel fünfzigtausend Menschen in einigen Alpentälern nicht die Sprache ihrer Nachbarschaft sprechen, sondern eine eigene wollen. Das heisst: nicht nur eine, sondern eine, die sie in sechs verschiedenen Varianten schreiben und in unzähligen unterschiedlichen Einfärbungen sprechen. Eigensinnig beharren sie auf den je eigenen Tonfall, auf die je eigene Ausdrucksweise. Als hänge ihr Lebensglück auch daran.

Eigensinn kann gefährlich sein. Wer nur stur beim Eigenen bleibt, kapselt sich ab vom Lebensstrom. Am Ende verdorrt er. Doch kann man mit dem Eigenen auch anders umgehen. Nicht verschreckt abwehrend, sondern neugierig erschliessend. Als könnte das, was man für die eigene Besonderheit hält, auch andere zum Staunen bringen, ja vielleicht sogar beglücken. Und so die Wirklichkeit mit einem neuen, geheimnisvollen Glanz versehen.

Das ist es, was die rätoromanischen Lieder der Corin Curschellas bewirken. Nicht nur gibt sie Kunde davon, was Männer und Frauen, Poetinnen und Poeten in diesem Teil der Schweiz gestern in Atem hielt und heute erregt. Ihre Stimme, ihre Instrumente, ihre Kompositionen bringen es fertig, die Grenzen einer Kleinsprache aufzusprengen und das Stück Weltzugehörigkeit freizusetzen, das immer vorhanden ist, wo lebendige Menschen fühlen und denken, lieben und leiden. Halb Magierin, halb Hexe erlöst sie die Zauberwörter aus dem Ghetto der Provinz und träufelt sie klangkundig den Menschen ins Ohr. In Paris, in Berlin, in New York.

Wer erfahren hat, mit welcher Wehmut die Sontga Margriata sich von ihrem wärmenden Feuer auf der Alp trennt, wird das, was Menschen in Valdun beschäftigt, nie mehr für weniger entscheidend halten, als das, was ihnen in New York zustossen mag. Für diese Gerechtigkeit in der Welterfahrung sorgt die Kunst der Corin Curschellas.

Hörproben

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